Obraz9 (7)

Obraz9 (7)



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Mit einem Dienstmann brachten wir unsern Einkauf in meine Wohnung.

Hermine betrachtete mein Wohnzimmer genau, lobte den Ofen und den Diwan, probierte die Stuhle, nahm Biicher in die Hand, blieb lang vor der Photographie meiner Gelieb-, ten stehen. Das Grammophon hatten wir zwischen Biicher-haufen auf eine Kommode gestelłt. Und nun begann mein Unterricht. Sie liefi einen Foxtrott spielen, machte mir die ersten Schritte vor, nahm meine Hand und begann, mich zu fiihren. Ich trabte gehorsam mit, stiefi an Stuhle, hórte auł ihre Befehle, verstand sie nicht, trat sie auf die Fiifte und war ebenso ungeschickt wie pflichteifrig. Nach dem zwei-ten Tanz warf sie sich in den Diwan und lachte wie ein Kind.

„Mein Gott, wie steif du bist! Geh doch einfach vor dich hin, wie wenn du spazierengehst! Anstrengungen sind gar nicht nótig. Ich glaube, dir ist sogar schon heifi geworden? Na, ruhen wir fiinf Minuten aus! Schau, das Tanzen ist, wenn man es kann, gerade so einfach wie das Denken, und zu lernen ist es viel leichter. Du wirst jetzt weniger ungc* duldig dariiber werden, dafi die Menschen sich das Denken nicht angewóhnen wollen, sondern lieber den Herrn Haller einen Landesverrater heifien und ruhig den nachsten Kricg kommen lassen."

Nach einer Stunde ging sie fort, mit der Versicherung, dal nachste Mai werde es schon besser gehen. Ich dachte dar-iiber anders und war sehr enttauscht iiber meine Dummheir und Schwerfalligkeit, ich hatte, wie mir schien, in diescr Stunde uberhaupt nichts gelernt und glaubte nicht daran, dafi es ein andermal besser gehen werde. Nein, zum Tanzen mufite man Fahigkeiten mitbringen, die mir vollkoni-men fehlten: Fróhlichkeit, Unschuld, Leichtsinn. Schwung, Nun, ich hatte es mir ja langst gedacht.

Aber siehe, beim nachsten Mai ging es in der Tat besser und begann mir sogar Spafi zu machen, und am SchluB drf Stunde behauptete Hermine, den Foxtrott konne ich jet/.i Aber ais sie daraus folgerte, nun miisse ich morgen mit ilu in einem Restaurant tanzen gehen, erschrak ich heftig und wehrte mich mit Leidenschaft. Kuhl erinnerte sie mich au mein Geliibde des Gehorsams und bestellte mich fiir mor-gen zum Tce ins Hotel Bałances.

An jenem Abend saG ich zu Hause, wollte lesen und konnte nicht. Ich hatte Angst vor morgen; der Gedanke war mir entsetzlich, daR ich alter, scheuer und empfindlicher Son derling nicht nur eines dieser ódcn modernen Tee- und Tanzlokale mit Jazzmusik besuchen, sondern mich dort un ier den fremden Menschen ais Tanzer zeigen sollte. ohne noch irgend etwas zu kónnen. Und ich gestehe, daG ich iiber mich selber lachte und mich vor mir selber geschiimi liabe, ais ich allein in meinem stillen Studierzimmer den Apparat aufzog und laufen lieG und leise auf Socken, die Schritte meines Fox rcpetiertc.

Im Hotel Balances andern Tages spielte eine kleine Kapelle. es wurde Tee und Whisky serviert. Ich versuchte, Hermine zu bestechen, setzte ihr Kuchen vor, versuchte, sie zu einer 1'laschŚ Wein einzuladen, aber sie blieb unerbittlich.

„Du bist heute nicht zum Vergniigen hier. Es ist Tanz-stunde."

Ich muGte zwei-, dreimal mit ihr tanzen, und zwischenein machte sic mich mit dem Saxophonblaser bekannt, einem dunklen, schónen, jungen Menschen von spanischer oder nidamerikanischer Herkunft, der, wie sie sagte, alle Instru-mente spielen und alle Sprachen der Welt sprechen konnte. I )ieser Sefior schien mit Hermine sehr gut bekannt und be-Ircundet zu sein, er hatte zwei Saxophone von verschiede-ner GróGe vor sich stehen, die er abwechselnd blies, wah-rend scine schwarzen gleiGenden Augen aufmerksam und vcrgniigt die Tanzenden studierten. Zu meiner eigenen Verwunderung empfand ich gegen diesen harmlosen, hiib-schen Musikanten etwas wie Eifersucht, nicht Liebeseifer-Micht, denn von Liebe war ja zwischen mir und Hermine r..ir nicht die Rede, aber eine mehr geistige Freundschaftsei-Icrsucht, denn er schien mir des Interesses und der auffal-lenden Auszeichnung, ja Verehrung, die sie fur ihn zeigte, nicht so recht wiirdig zu sein. Komische Bckanntschaften iiiuG ich da machen, dachte ich miGmutig.

I >.inn wurde Hermine einmal ums andre zum Tanz gebe-M ii, ich blieb allein beim Tee sitzen, hórte der Musik zu, ei-ner Art von Musik,-die ich bisher nicht hatte ausstehen kon-ncn. Lieber Gott, dachte ich, nun soli ich also hier einge-luhrt und hcimisch werden, in dieser mir so fremden und widerwartigen, in dieser bisher von mir so sorgfaltig gemie-

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