Bron: www.m-100.de
Luftfederung am W109
Die Luftfederung wurde - soviel als kleines Vorwort - bereits 1959 erstmals im deutschen PKW-Bau von Borgward im P100 aufgegriffen, um 1961 im Mercedes 300SE Heckflosse (W112) zu erscheinen. Danach wurde der große Mercedes 600 mit Luftfederung ausgestattet, bevor der Typ W109 sie erhielt. Der Vorteil der Luftferderung ist, daß sie in Verbindung mit der Niveauregulierung bei jeder Beladung über den gleichen Sturz und die gleiche Spur verfügt. Und systembedingt hat sie einen progressiven Federweg, d.h. je mehr Beladung desto härter. Das kommt der eher sportlichen Abstimmung des 6.3 ziemlich entgegen!
Die Baureihe W109 besitzt immer eine Luftfederung. Die Anlage arbeitet eigentlich sehr zuverlässig. Trotzdem haben viele W100 und W109 (6.3'er und 3.5'er) mit der Luftfederung Probleme. Das liegt einfach am Alter der Ventile und der Federbälge. Die einzelnen O-Ringe oder (Dicht-)Gummis werden hart oder reissen, damit entweicht mehr oder weniger Luft und der Wagen senkt sich ab. Eine 100% funktionierende Anlage muß den Druck in der Anlage und damit das Wagenniveau ca. 1 Jahr konstant halten!!
Senkt sich der Wagen z.B. über Nacht ab, ist die Anlage dringend überholungsbedürftig. Die Federbälge sind dabei fast nie die Ursache, sie sind entweder dicht oder platzen. Nur in einer von 100 undichten Luftfederungen hat der Balg einen Haariß. Also bitte nicht bei der Besichtigung eines Wagens ins Boxhorn jagen lassen, Verkäufer neigen ja gerne dazu den vollständigen Druckverlust über Nacht als normal dazustellen. Dem ist nicht so!
Kurze Erklärung der Anlage: Der von Keilriemen angetriebene Luftpresser (=landläufig Kompressor genannt) fördert Druckluft in den Vorratsbehälter unter dem linken Kotflügel. Dieser ist mit dem Hauptventil als zentrale Steuerung verbunden. Das Hauptventil vorne im Motorraum steuert das Ventil links an der Vorderachse, von dort gehen Leitungen an das Ventil rechts an der Vorderachse. Ebenso gehen vom Hauptventil Leitungen zu dem einen Ventil an der Hinterachse. Dies Luftventile regeln den Druck in den Federbälgen.
Die einzelnen Ventile haben eingebaute Rückschlagventile, damit aus den gefüllten Federbälgen keine Druckluft zurück in den Vorratsbehälter entweicht. Genauer gesagt soll natürlich bei Beladung mehr Luft in die Bälge, bei Entladung des Fahrzeugs weniger Luft. Dies wird über Regelstangen gesteuert, die mechanisch mit den Achsen verbunden sind. Das Fahrzeugniveau wird ebenfalls durch Verkürzen/Verlängern dieser Gewindestangen an den 3 Achsventilen eingestellt.
Die Hauptschwachstelle der Luftfederungsventile ist dieser am Gehäuse angebrachte Hebel, der das Einlassen/Herauslassen der Luft steuert. Er wird durch einen in das Gehäuse eingepreßten O-Ring abgedichtet. Dieser O-Ring wird hart und undicht, und dadurch entweicht Luft durch den undichten Steuerkolben. Natürlich kann auch an anderen Stellen Luft entweichen, die Dichtung des Betätigungshebels für den Steuerkolben ist aber sicherlich die häufigste Ursache.
Der Druck in der Anlage liegt zwischen 8 bar (Erlöschen der Warnleuchte) und 15 bar bei voller Beladung / Hochstellung. Soll eine leere Anlage per Kompressor gefüllt werden, befindet sich am Vorratsbehälter ein Reifenfüllventil. Es liegt etwa in der Mitte des Behälters, und ist gerade so hinter dem Kotflügel erreichbar, wenn man die Lenkung komplett nach rechts einschlägt. Meistens ist es mit einem Ventilkäppchen gesichert, das erst unter dem Dreck erfühlt und abgeschraubt werden muß. Vor 8 bar Druck wird sich aber der Wagen in der Höhe nicht bewegen!
Die Pflege der Anlage ist eigentlich nicht besonders aufwändig: Am Vorratsbehälter ist ganz unten ein Ventil, um Kondenswasser in der Anlage abzulassen. Das sollte alle paar Wochen einmal geschehen. Heraus kommt meistens ein brauner Schleim, was aber normal ist. Erst wenn dieser Schleim mehr Öl als Wasser enthält, sollte man den Luftpresser kontrollieren. Und ein bißchen Isopropylalkohol oder Frostschutz aus dem Nutzfahrzeugbereich können gerade in der kalten Jahreszeit auch nicht schaden.
Welche Ursachen die Fehler haben können und welche Beseitigungsmöglichkeiten es gibt wird in der folgenden Tabelle dargestellt.
(Keine Gewähr, kein Anspruch auf Vollständigkeit, da wir selbst noch in der Problemlösungsphase sind)
Nr. |
Fehler |
Ursache |
Mögliche Lösung |
1. |
Wagen lässt sich nicht in die erhöhte Position fahren |
Zu schwacher Luftpresser, defekte Ventile oder undichte Steuerleitung |
Luftpresser ersetzen, Ventile ersetzen, Steuerleitung ersetzen |
2. |
Pfeifendes Geräusch nach dem Aussteigen |
Luft entweicht aus dem System über ein Überdruckventil |
Normaler Vorgang |
3. |
Fahrzeugniveau ist vorne auf beiden Seiten zu niedrig |
Undichtes Hauptventil. Das Hauptventil steuert die beiden vorderen Ventile, so dass dort zu niedriger Druck herrscht (relativ selten) |
Ersetzen des Hauptventils |
4. |
Fahrzeugniveau ist vorne auf beiden Seiten zu niedrig bzw Wagen senkt sich vorne ab |
Undichte Regelventile links und rechts an der Vorderachse |
Ersetzen der beiden Ventile |
5. |
Fahrzeug senkt sich vorne und hinten ab |
Alle Regelventile sind undicht |
Ersetzen aller Ventile |
6. |
Fahrzeug senkt sich nur hinten ab |
Das hintere Regelventil ist undicht |
Ersetzen des hinteren Ventils |
7. |
Das Fahrzeugniveau ist nur an einem Rad vorne zu tief |
Das betreffende vordere Regelventil ist defekt |
Ersetzen des Ventils |
8. |
Fahrzeugniveau vorne und hinten zu tief |
Luftpresser bringt zu wenig Druck oder größeres Leck über das Luft entweicht |
Überholen des Luftpressers, Ersetzen der undichten Ventile |
9. |
Auto sinkt einseitig ab |
Defekter Rückschlageinsatz in einem Ventil. Entweichende Luft strömt zurück zur Frostschutzeinrichtung und tritt dort aus. |
Ersetzen des kompletten Ventils |
10. |
Rote Kontrollleuchte geht ca 1 Std nach Abstellen des Motors an, Niveau fallend |
Luftvorratstank ist undicht oder Ventile sind undicht |
Leck lokalisieren und entsprechendes Ventil/Rückschlagventil/Leitung ersetzen |
11. |
Rote Kontrollleuchte leuchtet dauernd, Niveau aber konstant |
elektrischer Druckschalter defekt oder Kabel ab, Bowdenzug nicht auf Fahrstellung am Hauptventil justiert |
Kabel/Schalter überprüfen, Justierung überprüfen |
12. |
Rote Kontrollleuchte geht nach Abstellen des Motors sofort an |
Luftpresser defekt, erreicht kaum 8 bar zum Erlöschen der Kontrollbirne |
Überprüfen, ob Fahrzeug sich in Hochstellung bringen läßt und auf Ölanteil im Kondenswasser. Sonst Luftpresser ersetzen. |
Bei einer Überholung der Luftfederung ist es generell ratsam, alle 4 Ventile auf einmal zu ersetzen. Es gibt qualitativ hochwertige überholte Ventile auf dem Markt, die auch die Kosten kalkulierbar halten. Als ganz grobe Richtschnur für irgendwas unter ca. 1.600.- Euro sollte man 4 Stück 1a überholte Ventile im Tausch bekommen.
Prüftipp!
Um ausgebaute Ventile zu testen, kann man die alten Ventile über den Anschluß E (Einlass) per Kompressor mit Luft füllen, um dann im Wasserbad zu lokalisieren, wo die undichte Stelle liegt. Eine do-it-yourself Reparatur bzw. ein zerstörungsfreies Zerlegen undichter alter Ventile ist aber leider nicht möglich.