42523 Obraz2 (5)

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merad, niemand versteht dich so wie ich. Und doch bist du mir ein Ratsel. Du wirst ja mit dem Leben so spielend fer-tig, du hast ja diese wunderbare Hochachtung vor den klei-nen Dingen und Geniissen, du bist eine solche Kiinstlerin im Leben. Wie kannst du am Leben leiden? Wie kannst du verzweifeln?“

„Ich verzweifle nicht, Harry. Aber am Leben leiden - o ja. darin bin ich erfahren. Du wunderst dich, dafi ich nicht gliicklich bin, weil ich doch tanzen kann und mich an der Oberflache des Lebens so gut auskenne. Und ich, Freund, wundere mich, dafi du vom Leben so enttauscht bist, da du doch gerade in den schónsten und tiefsten Dingen hei-misch bist, im Geist, in der Kunst, im Denkcn! Darum ha-ben wir einander angezogen, darum sind wir Geschwister. Ich werde dich lehrcn, zu tanzen und zu spielen und zu la-cheln und doch nicht zufrieden zu sein. Und werde von dir lernen, zu denken und zu wissen und doch nicht zufrieden zu sein. Weifit du, dafi wir beide Kinder des Teufels sind?“

„Ja, das sind wir. Der Teufel ist der Geist, und seine un-gliicklichen Kinder sind wir. Wir sind aus der Natur heraus-gefallen und hangen im Leeren. Aber nun fallt mir ctwas ein: in dem Steppenwolftraktat, von dem ich dir erzśihlt Habe, steht etwas daruber, dafi es nur eine Einbildung von Harry sei, wenn er glaubt, eine oder zwei Seclen zu haben, aus eincr oder zwei Persónlichkeiten zu bestehen. Jedćr Mensch bestehe aus zehn, aus hundcrt, aus tausend See-len.“

„Das gefallt mir sehr“, rief Hcrmine. „Bci dir zum Beispiel ist das Geistige sehr hoch ausgebildet, und dafiir bist du in allerlei kleinen Lebenskunsten sehr zuriickgeblieben. Der Denker Harry ist hundert Jahre alt, aber der Tiinzer ist kaum erst einen halben Tag alt. Den wollen wir jetzt wei-terbringen und alle seine kleinen Briiderlein, die ebenso klein und dumm und unerwachsen sind wie er."

Lachelnd sah sie mich an. Und fragte leise, mit vcranderter Stimme:

„Und wie hat denn Maria dir gefallen?"

„Maria? Wer ist das?"

„Das ist die, mit der du getanzt hast. Ein schónes Madchen, ein sehr schónes Madchen. Du warst ein wenig in sie ver liebt, soviel ich sehen konnte."

..Kennst du sie denn?“

„O ja, wir kennen uns recht gut. Ist dir viel an ihr gele-gen?“

„Sie gefiel mir, und ich war froh, da (i sie mit meinem Tan-/.en so nachsichtig war."

„Na, wenn das alles ist! Du solltest ihr ein wenig den Hol machen, Harry. Sie ist sehr hiibsch und tanzt so gut, und verliebt bist du ja auch schon in sie. Ich glaube, du wirst Hr-folg haben."

„Ach, das ist nicht mein Ehrgeiz."

„Jctzt lugst du ein wenig. Ich we i fi ja, du hast irgendwo in iler Welt eine Geliebte sitzen und siehst sie alle halbe Jahrc cinmal, um dich dann mit ihr zu streiten. Es ist sehr hiibsch von dir, wenn du dieser merkwiirdigen Freundin treu blei-bcn willst, aber erlaube mir, das nicht so ganz ernst zu neh-men! Ich habe dich iiberhaupt im Verdacht, dafi du die l .iebe furchtbar ernst nimmst. Das magst du tun, du magst auf deine ideale Alt liebcn, soviel du willst, es ist deine Sa-i lic, ich habe dafiir nicht zu sorgen. Wofur ich aber zu sor-gcn habe, das ist, dafi du die kleinen, leichten Kiinste und Spiele im Leben etwas besser erlernst, auf diesem Gebiet bin ich deine Lehrerin und werde dir eine bessere Lehrerin sein, ais deine ideale Geliebte es war, darauf verlasse dich! I >u hast es recht nótig, wieder einmal bei einem hiibschen Madchen zu schlafen, Steppenwolf."

„Ilermine", rief ich gepeinigt, „sieh mich doch an, ich bin ein alter Mann."

„Ein kleiner Jungę bist du. Und ebenso, wie du zu beąuem wurst, um tanzen zu lernen, bis es beinahe zu spat war, so warst du auch zu beąuem, um lieben zu lernen. Ideał und iragisch lieben, o Freund, das kannst du gewifi vortrefflich, n li zweifle nicht daran, alle Achtung davor! Du wirst nun li rnen, auch ein wenig gewóhnlich und menschlich zu lieben. Der Anfang ist ja gemacht, man kann dich schon bald iii einen Bali gehen lassen. Nun, den Boston mufit du erst noch lernen, damit beginnen wir morgen. Ich komme um drci Uhr. Wie hat dir iibrigens die Musik hier gefallcn?" Ausgezeichnet."

Siehst du, das ist auch ein Fortschritt, du hast zugelernt. Ibsher hast du alle diese Tanz- und Jazzmusik nicht leiden

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